Deutschland stellt europaweit den größten Markt für ERP-Software dar. Dies geht aber auch mit einer Vielzahl an Angeboten einher, die die Entscheidung zugunsten eines passenden IT-Dienstleisters gerade im Mittelstand deutlich erschwert. Worauf sollte ein Unternehmen neben den funktionalen Eigenschaften der Software bei der Auswahl des IT-Dienstleisters vor allem achten, um einen langfristigen Investitionsschutz zu gewährleisten?
Wir sehen den IT-Dienstleister in erster Linie als einen Partner. Neben den funktionalen und technologischen Eigenschaften der Software ist die Auswahl des passenden Partners ein wichtiger Erfolgsfaktor. Der Partner sollte über die notwendige Branchenexpertise verfügen, eine gewisse Größe, Infrastruktur und Kapitalausstattung mitbringen, sowie passende Referenzen vorweisen können. Zudem sollten für das geplante Projekt auch genügend Ressourcen in Form von Beratern und Entwicklern zur Verfügung stehen. Denn auch die Wahl des vermeintlich besten Partners kann zum Scheitern des Projektes führen, wenn die Berater in andere Projekte eingebunden sind.
Aber auch die Einführungsmethodik spielt für den Erfolg des IT-Projektes eine wichtige Rolle. Gerade bei zeitkritischen Projekten setzen wir hier vermehrt auf den sogenannten Business Scrum-Ansatz. Dies bedeutet, dass in kurzen und aufeinander aufbauenden Projekteinheiten die gemeinsamen Aktivitäten zwischen Anbieter und Anwenderunternehmen festgelegt werden, um zu einem gegebenen Termin einen ganzheitlichen Lösungsansatz zu gewährleisten.
Nicht zuletzt muss aber auch die Chemie zwischen den Partnern stimmen - ein Aspekt, der in der Praxis oftmals unterschätzt wird.
Wie ist hier die Comarch Gruppe aufgestellt?
Comarch S.A. ist ein international erfolgreiches Unternehmen mit Hauptsitz in Krakau, das seit über 20 Jahren namhafte mittelständische und große Unternehmen rund um die Unternehmens-IT betreut. Die gesamte Comarch Gruppe erzielte in 2012 einen Jahresumsatz von über 200 Mio. € und beschäftigt weltweit ca. 3.700 Mitarbeiter. Comarch adressiert in der DACH-Region mit ca. 300 Mitarbeitern den gesamten deutschsprachigen Markt und verfügt bundesweit über zahlreiche eigene Standorte. Heute werden bereits mehr als 25% des gesamten Comarch-Umsatzes in der DACH-Region erzielt, u.a. mit den Mittelstands-Lösungen im Bereich ERP, Finanzbuchhaltung, ECM/DMS, BI und EDI, die auch teilweise in der Virtual Private Cloud oder Public Cloud bereitgestellt werden.
Die VLEXgroup setzt mit der Comarch Software und Beratung AG auf einen der führenden IT-Dienstleister Europas als Entwicklungspartner, der die stetige Weiterentwicklung des Prozess- und Technologie-Frameworks für VlexPlus sicherstellt. Welche Vorteile bietet ein externer Entwicklungspartner wie Comarch für das Anwenderunternehmen?
Dies ist eine klassische Entwicklungspartnerschaft, die für beide Partner deutliche Vorteile mit sich bringt. Trotz unserer Größe und Infrastruktur können wir nicht für jede einzelne Branche eine spezifische Lösung bereitstellen und pflegen. Wir stellen unseren Partnern das gesamte Framework zur Verfügung und unsere Partner bringen schließlich ihre spezifische Branchenkompetenz ein. Dadurch können sich beide Partner auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen beschränken und dies kommt im Ergebnis letztlich dem Anwender zugute.
Falls gewünscht oder erforderlich stellt Comarch zudem auch weitere Dienstleistungen und eine komplette Infrastruktur für den Betrieb der IT zur Verfügung, falls diese Ressourcen und Leistungen nicht oder nicht in dem geforderten Umfang über den Partner bereitgestellt werden können. Möchte ein Kunde etwa seine Lösung auch an den Produktions- und Vertriebsstandorten im Ausland einsetzen, können wir diese Kunden für unsere Partner auch vor Ort betreuen.
Wie wird im Rahmen der Entwicklungspartnerschaft die vollständige Releasefähigkeit sichergestellt?
Eine vollständige Releasefähigkeit wird dann sichergestellt, wenn sowohl die Technologie als auch Prozesse aufeinander abgestimmt sind. Im Rahmen dieser Partnerschaft stellt Comarch die sogenannte App-Technologie (Application Development Kit) zur Verfügung, die es erlaubt, Erweiterungen unserer Partner auf stabilen Schnittstellen zu entwickeln. Grundsätzlich ist es jedoch unseren Partnern freigestellt, diese App-Technologie für die Branchenerweiterungen zu nutzen. Sofern der jeweilige Partner auf dem Source-Code unserer Anwendung aufsetzt, muss dieser bei anstehenden Updates die Releasefähigkeit seiner Erweiterungen selbst sicherstellen.
Unternehmen erwarten heute einen größtmöglichen Schutz ihrer IT-Investitionen. Wie wichtig ist dabei die zugrundeliegende Software-Technologie?
Für die Folgekosten einer ERP-Software ist vor allem die zugrundeliegende Softwarearchitektur bzw. -technologie von entscheidender Bedeutung. Denn inwieweit die Lösung etwa webfähig, skalierbar, anpass- und erweiterbar, „internationalisierbar" (Stichwort: Unterstützung universeller Zeichencodes) oder in Systemlandschaften integrierbar ist, hängt maßgeblich von der verwendeten Technologie ab.
Unternehmensanwendungen agieren heute kaum mehr als geschlossenes System, sondern müssen mit anderen Systemen, teils anderer Hersteller, interagieren. Wir haben hier schon vor gut zwölf Jahren auf die Java-Technologie gesetzt, die heute in der modernen Softwareentwicklung als Standard gilt. In Verbindung mit einer konsequenten Service-orientierten Architektur bzw. Web-Services erlaubt sie Anwenderunternehmen ein Höchstmaß an Flexibilität, Integrations- und Anpassungsfähigkeit sowie einen einfachen Datenaustausch.
Client-seitig kann man völlig standortunabhängig mit den gängigen Web-Browsern wie Internet Explorer, Firefox, Chrome und Safari auf unsere Lösungen zugreifen. Dank eines sogenannten Data Abstraction Layer und der sauberen Trennung der Datenbankebene können wir neben Oracle, Microsoft SQL auch IBM DB2 als Datenbanken für den Softwareeinsatz nutzen. Aber auch auf Betriebssystemebene haben wir die Plattformunabhängigkeit sichergestellt. Theoretisch kann unsere Lösung auf jedes beliebige Betriebssystem portiert werden.
Warum eignet sich die Comarch ERP Enterprise Plattform für Entwicklungspartner besser als andere ERP-Systeme?
Die Comarch ERP Enterprise Plattform ist technologisch heute als State-of-the-Art zu bezeichnen. Darüber hinaus erhalten unsere Partner mit dem Comarch Application Development Kit ein umfassendes Instrumentarium an die Hand, um das eigene Branchen- und Prozess-Know-how in die Lösung komfortabel und völlig Release-sicher einzubinden.
Wird denn trotz einer solchen Entwicklungspartnerschaft die Software gesamtverantwortlich „aus einer Hand" bezogen?
Letztendlich entscheidet darüber der jeweilige Kunde. Es gibt je nach Anforderungsprofil verschiedene Modelle, die wir verfolgen. So gibt es den Ansatz, dass wir lediglich als Softwarelieferant fungieren und der Partner das Projekt und die Einführungs-/Wartungsprozesse gesamtverantwortlich betreut. Es gibt auch Projekte, in denen wir als Generalunternehmer auftreten und der Partner lediglich die Entwicklung, Wartung und den Support seiner speziellen Erweiterungen übernimmt.
Die VLEXgroup bringt in VlexPlus ihre mehr als 35-jährige Branchen-Expertise in der Variantenfertigung und dem technischen Großhandel ein. So erhalten Anwender eine Lösung, die sowohl individuellen Branchenanforderungen gerecht wird als auch auf modernsten Technologien aufsetzt. Hat sich dieses Modell der Entwicklungspartnerschaft in Deutschland bereits durchgesetzt?
Wir als Comarch setzen bereits seit Jahren erfolgreich auf dieses Partnerschaftsmodell. Grundsätzlich wünschen wir uns, dass unsere Lösungen in allen Branchen zum Einsatz kommen. Allerdings können wir nur die Funktionalitäten selbst umsetzen, die von den meisten Branchen und Unternehmen nachgefragt werden. Unsere Partner fokussieren sich schließlich auf die branchenspezifischen Anforderungen, die unsere Lösungen bislang nicht bedienen können. Aus unserer Sicht ist dies der Ansatz, der für den Anwender langfristig den größten Nutzen verspricht.
Hochspezialisierte Anbieter, die alle diese Dinge in einem Unternehmen vereinen, bringen für den Anwender gewisse Risiken mit sich, etwa im Hinblick auf den steigenden Wartungsaufwand oder die Abhängigkeit von dem einen Software-Anbieter.
Welche technischen und/oder funktionalen Neuerungen sind in 2013 in der Planung?
In der letzten Zeit haben wir uns verstärkt dem Thema Online-Handel, Payment und Anbindung an Shop-Systeme gewidmet. Im Zug dessen haben wir auf Basis unserer App-Technologie unter anderem eine Multichannel-Schnittstelle geschaffen, die es erlaubt, verschiedene Eingabe- und Verkaufssysteme miteinander zu verbinden. Darüber hinaus gibt es im Bereich der Kommissionierung und des Retourenmanagements einige Erweiterungen, die die Lagerprozesse im Unternehmen nachhaltig optimieren sollen.
Auch das Look & Feel unserer Lösungen wird mit den jüngsten Releases weiter aufgefrischt. Unter anderem sind unsere Lösungen nun auch mit Safari auf dem iPad zu bedienen. Im kommenden Jahr werden wir uns im Hinblick auf das neueste Betriebssystem Windows 8 vor allem mit innovativen Bedienkonzepten und der Usability unserer Lösungen beschäftigen.
Welche (weiteren) technologischen Trends und Konzeptansätze werden Ihr Geschäft in den nächsten Jahren nachhaltig beeinflussen?
In erster Linie wird das Cloud-Thema auch in den kommenden Jahren den gesamten IT-Markt signifikant prägen. Wir tragen dieser Marktentwicklung Rechnung, indem wir augenblicklich ein weiteres Rechenzentrum in Dresden aufbauen, in dem die ganzen Daten entsprechend der deutschen Datenschutzbestimmungen auch sicher gehostet werden können. Auf der CeBIT 2013 haben wir zudem erstmals unser komplettes Cloud-Angebot vorgestellt.
Darüber hinaus gewinnt das Thema Collaboration gerade im Mittelstand weiter an Bedeutung. Dafür bieten wir z.B. unseren Kunden unsere Comarch e-Enterprise Produkte an. Entscheiden sie sich beispielsweise für ein ERP, BI, Finance, ECM oder EDI-Produkt und wollen später ein zweites Produkt nachkaufen, können diese direkt und ohne weiteren Schnittstellenaufwand miteinander verbunden werden. Möglich macht dies die durchgängige Java- und Webarchitektur unserer Lösungen.
Herr Dr. Kurpinski, vielen Dank für das Interview.